Aus Anlass des 50. Jahrestages dieses oft verdrängten Unrechts
lud das Bildungswerk Potsdam der Konrad-Adenauer-Stiftung am 16.
März zu einer Diskussionsveranstaltung in die Gedenkstätte für die
Opfer politischer Gewalt im 20. Jahrhundert in die Potsdamer
Lindenstraße ein. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen
Diskussionen zur Ausgestaltung der Enquete-Kommission des
Brandenburger Landtages war der Zuspruch groß.
Zusammen mit dem Historiker Dr. Jens Schöne, dem Journalisten
Christian Booß, der Landesvorsitzenden der CDU Brandenburg Prof. Dr.
Johanna Wanka, dem Geschäftsführer des Brandenburger Bauernbundes
Reinhard Jung und dem Leiter des Potsdamer Bildungswerkes der KAS
Dr. Christian Schmitz diskutierten mehr als 60 Interessierte über
das Thema.
Schöne, der selbst lange Jahre zum Thema geforscht hat und heute
als stellvertretender Stasi-Landesbeauftragter in Berlin Experte für
die Aufarbeitung von SED-Unrecht ist, räumte in seinem Vortrag mit
vier großen Legenden der Zwangskollektivierung auf. Keinesfalls sei
die Bodenreform mit der Zwangskollektivierung gleichzusetzen, sagte
er, und auch der Befehl zur Umsetzung erfolgte nicht aus Moskau.
Ferner entsprang die Zwangskollektivierung weder den Wünschen der
Mehrheit der Bauern, noch habe sie ihren Ursprung in einer
Entscheidung des Sekretärs der SED-Bezirksleitung Rostock gehabt.
Sein Fazit ist klar: „Der sozialistische Frühling war ein staatlich
organisierter Überwältigungsakt, der von langer Hand vorbereitet
war. Er ist ein Sinnbild für die kommunistische Machtausübung.“
Ähnlich argumentierte Bauernchef Jung. Er verwies darauf, dass
ein Bauer, der sowohl den Boden als auch die Arbeitskraft sein Eigen
nennt, per se den kommunistischen Machthabern suspekt gewesen sei.
„Dies passte einfach nicht ins totalitäre Menschenbild der
Marxisten, die nur Ausbeuter und Ausgebeutete kannten“, sagte der
Landwirt aus der Prignitz. Er plädierte deutlich für eine
Aufarbeitung begangenen Unrechts, auch im Hinblick auf die Zeit des
Übergangs von der Diktatur in die Demokratie nach 1989. Es gehe
dabei nicht darum, die Grundbücher zu überarbeiten oder den
dörflichen Frieden zu gefährden, so wie dies die Kritiker gern
anführten, stellte Jung klar, sondern darum „aus den Fehlern der
Vergangenheit z.B. bei der Bevorteilung genossenschaftlicher
Strukturen in Brandenburg zu lernen.“ Für ihn stehe deshalb fest,
eine Enquete-Kommission, die sich nicht mit dem Bereich
Landwirtschaft befasse, sei eigentlich in einem Flächen- und
Agrarland undenkbar.
So sah dies auch die CDU-Landeschefin Johanna Wanka – eine der
treibenden Kräfte der Enquete-Kommission im Brandenburger Landtag.
Sie betonte, dass es nicht darum gehe, „irgendetwas schlecht zu
reden. Im Gegenteil, wir wollen ergebnisoffenen diskutieren.“ Doch
Wanka war an diesem Abend nicht nur aus politischen Gründen
gekommen. Als Zeitzeugin berichtete sie den Anwesenden eindringlich
aus ihrem eigenen Erleben. „Ich bin eine Bauerntochter“, sagte die
59-jährige Politikerin und Mathematikprofessorin zum Erstaunen
zahlreicher Anwesenden. Aufgewachsen auf dem Bauernhof ihrer Familie
im sächsischen Rosenfeld könne sie sich noch gut an die
Agitprop-Trupps, die von Haus zu Haus zogen und den Druck in den
örtlichen Versammlungen erinnern. „Das waren prägende
Kindheitserinnerungen“, erzählte sie und holte damit die Ereignisse
dieses sozialistischen Frühlings, in dem Hunderttausende Bauern
entrechtet und zur Flucht gezwungen wurden, zurück in die Gegenwart.